Bioerdgas oder Biomethan ist der Name des Energieträgers, den immer öfter nicht nur Bioenergie-Enthusiasten von den Dächern pfeifen. Ein Energieträger der flexibel genug ist, um ihn als Grundlage für die Strom- und Wärmeproduktion oder als Biokraftstoff der zweiten Generation zu nutzen. Besonders in Großstädten wie Berlin kann Bioerdgas schon heute sehr effizient eingesetzt werden, da genügend Strom- und Wärmeabnehmer zur Verfügung stehen und ein vergleichsweise dichtes Netz an Bioerdgastankstellen bereit steht. Hier finden sie einen Einblick in die Bioerdgas-Strategie der Hauptstadt und die Beschreibung des Bioerdgas-Engagements im Verkehrsbereich von 2 der größten Unternehmen von Berlin – der Berliner Stadtreinigung (BSR) und der GASAG.
Verbesserte Rahmenbedingungen für Bioerdgas in Deutschland durch die Initiative Erdgasmobilität
Die Potentiale von Bioerdgas im Zuge der Energiewende werden den Verbrauchern und politischen Entscheidungsträgern zunehmend bewusst und ich hoffe, dass die Rahmenbedingungen für diesen heimischen, flexiblen und speicherbaren Energieträger auch mit der Novelle des KWKG 2012 in den kommenden Tagen weiter gestärkt werden.
Bereits im September des vergangenen Jahres haben sich mehrere Akteure der Branche in der „Initiative Erdgasmobilität“ zusammengeschlossen und setzen sich gemeinsam dafür ein, den Anteil der Erdgas-Fahrzeuge am deutschen Fuhrpark bis 2020 auf 4 Prozent anzuheben. Davon profitiert auch Bioerdgas, welches als Ökoprodukt unter den Erdgasprodukten bereit steht.
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Mittelfristig 100 Prozent Bioerdgas an den Erdgas-Tankstellen der GASAG?!
Von den rund 1.5 Millionen Fahrzeugen die aktuell auf den Straßen Berlins unterwegs, beziehungsweise in der Hauptstadt gemeldet sind, werden bisher nur etwa 4.100 Fahrzeuge mit Erdgas betrieben. Außerdem sind in Berlin bisher nur 18 Erdgastankstellen in Betrieb, was nur einem Bruchteil der 900 Erdgastankstellen in der gesamten Republik entspricht.
Betrachtet man diese Zahlen im Vergleich zur gesamten Anzahl an Fahrzeugen und Tankstellen, sind die Werte sicher noch nicht sehr beeindruckend. Wir sollten beim Bewerten des Status Quo aber auch berücksichtigen, dass wir beim Thema Erdgas und Bioerdgas erst vor einigen Jahren und praktisch bei Null begonnen haben. Das Wachstum vom Nullpunkt aus ist naturgemäß deutlich zäher, als wenn man schon eine Hausnummer hat. Deshalb glaube ich auch, dass der Ausbau in absoluten Zahlen zukünftig deutlich schneller voranschreiten wird. Bis Ende 2012 sollen in Berlin immerhin schon 22 Erdgas-Tankstellen in Betrieb sein, was einem Wachstum von rund 20 Prozent zum Vorjahr entsprechen wird.
Der Wert von 20 Prozent begegnet uns erneut, wenn wir nach der Beimischungsquote für Bioerdgas fragen, welche an den Erdgas-Tankstellen der GASAG (12 Tankstellen) aktuell angeboten wird. Die GASAG plant den Aussagen von Otto Berthold, Bioerdgas-Sprecher der GASAG, diesen Wert Stück für Stück auf 100 Prozent Bioerdgas anzuheben. Natürlich ist eine so ambitionierte Quote nur dann möglich, wenn auch die Verbraucher hinter dem Steuer mitspielen.
Die wichtigsten Hemmnisse für einen höheren Bioerdgas-Anteil sind momentan noch die geringen Bioerdgasmengen die in der Region zur Verfügung stehen und der höhere Preis von Bioerdgas im direkten Vergleich mit dem fossilen Erdgas-Kollegen. Während Erdgas für etwa 2.5 Cent pro Kilowattstunde erworben werden kann, liegt der Preis für Bioerdgas mit etwa 7 Cent/ kWh 2-3 so hoch. Zumindest an der Überwindung der Mengenlimitierung von Bioerdgas wird bei der GASAG hart gearbeitet.
So stammt das Bioerdgas der GASAG zu 100 Prozent aus der Region Berlin-Brandenburg und wird aktuell hauptsächlich von zwei Bioerdgas-Anlage zur Verfügung gestellt. Für Investitionskosten von 9 Millionen Euro speist die Anlage in Rathenow etwa 520 Normkubikmeter Bioerdgas pro Stunde (entspricht 44 Millionen kWh im Jahr) ins angeschlossene Erdgasnetz ein.
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Die zweite Bioerdgas-Anlage wurde für 12 Millionen Euro in Schwedt errichtet und erst im November des vergangenen Jahres in Betrieb genommen. Die Anlage ist mit 700 Normkubikmetern pro Stunde bereits etwas größer als die Einspeiseanlage in Rathenow. Die GASAG plant, dass jährlich eine weitere Anlage in der Größenordnung der Anlage in Schwedt zum eigenen Anlagenpark hinzukommt.
Bioerdgas betreibt in Zukunft 1/3 der Flotte der BSR in Berlin
Das Abfallherz der Hauptstadt schlägt mit Sicherheit bei der Berliner Stadtreinigung. Und auch die BSR leistet ihren Beitrag, um die CO2-Emissionen der Stadt Berlin weiter zu reduzieren.
Dafür muss die BSR für die Bioerdgas-Substrate nicht einmal die Grenzen der Stadt verlassen, sondern kann auf 80 Prozent der Berliner Haushalte zurückgreifen, die über eine eigene Bioabfall-Tonne verfügen. Die Bioerdgas-Sprecherin der BSR, Renate Lemke, berichtet nicht ohne Stolz, dass die BSR durch ihr Engagement in Zukunft nicht nur zu einem konstanten Bioerdgas-Verbraucher, sondern auch zu einem Bioerdgas-Produzenten werden wird.
Um die 130 (entspricht 1/3 der Flotte) bereits heute schon mit Erdgas betriebenen CNG-Müllfahrzeuge (CNG-Compressed Natural Gas) der BSR künftig mit Bioerdgas zu versorgen, errichtet die Berliner Stadtreinigung momentan die erste Biogasanlage Berlins in Spandau. In dieser von 12 Mitarbeitern geführten Biogasanlage sollen die etwa 60.000 Tonnen an jährlich in Berlin gesammeltem Bioabfall vergoren und zu Bioerdgas aufbereitet werden. Eine Jahresproduktion von 7 Millionen Normkubikmetern Rohbiogas soll eine Nettoenergieproduktion von 34 Millionen kWh garantieren.
Hierbei ist der Einsatz von Bioerdgas in der LKW-Flotte der BSR äußerst effizient, da die tägliche Fahrstrecke der Müllsammelfahrzeuge sehr hoch ist. Auch die zentrale Betankung der Fahrzeuge an einer der 3 angepassten Erdgastankstellen der BSR bietet eine Infrastruktur mit maximalem Erfolg bei wenig dichtem Tankstellennetz.
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Fazit zu MEHR Bioerdgas im Verkehrsbereich in Berlin
Erdgas reduziert den Ausstoß von Emissionspartikeln (Stickstoffoxide) in die Luft und ist deshalb aus Gründen der Luftreinhaltung politisch gewollt.
Sollte das verwendete Erdgas zusätzlich zu einem großen Teil aus organischer Substanz gewonnen werden (Bioerdgas), trägt ein verstärkter Einsatz von Bioerdgas im Verkehrsbereich zusätzlich zur Senkung des CO2-Austoßes der Hauptstadt bei. Das Erreichen der gesteckten Klimaschutzziele der Stadt Berlin bis 2020 (Minderung der CO-Emissionen um 40 Prozent im Vergleich mit 1990!) kann somit ebenfalls unterstützt werden.
Auf der Internetseite der Berliner Informationsstelle Klimaschutz (BIK) finden sie weitere interessante Anregungen zu Klimaschutz-Projekten in der Hauptstadt.
Aber machen wir uns nichts vor, der Wettbewerb um die verfügbaren Mengen Bioerdgas in Berlin hat gerade erst begonnen und der Einsatz des erneuerbaren Energieträgers im Kraftstoffmarkt wird zunehmend im direkten Wettbewerb mit Bioerdgas im KWK-Bereich und Heizungsmarkt stehen. Die Annahme, dass die Nachfrage nach dem Ökogas Bioerdgas in den kommenden Jahren steigen wird, entspringt sicher nicht nur dem Wunschdenken der Bioenergiebranche.
Neben Konzepten zum Car-Sharing und der Elektromobilität wird der Einsatz von klimafreundlichem Bioerdgas die wichtigste Stellschraube für eine zügige Energiewende im Verkehrssektor sein. Und wieder einmal liegt der Ball auch bei uns Autofahrern und Energieverbrauchern, da wir mit unseren Kaufentscheidungen zu einem großen Teil mitbestimmen, wie schnell der Umstieg auf erneuerbare Energieträger gelingt.
Die Frage darf nicht lauten Bioerdgas oder Elektromobilität oder Car-Sharing? Wir brauchen alle Alternativen für eine möglichst schnelle Loslösung von der Abhängigkeit vom Erdöl!
Sehr schöner Artikel,
interessant und gut zu lesen. Wäre noch interessant, wieviel Normenkubikmeter insgesamt verbraucht werden oder wieviel in einen Tank eines BSR-Autos reingeht, so dass man eine Grössenordnung hat. Und wie weit man damit fahren kann :)
Vielen Dank Manuel für den Tipp!
In einer Präsenation der Berliner Stadtreinigung (Seite 11-13) werden einige der Fragen beantwortet und machen die Zahlen hoffentlich etwas leichter vorstellbar. In den Tank eines mit Gas betankten BSR-Autos passen beispielsweise 2×2 Gasflaschen mit jeweils 140 Liter (= 21 kg Bioerdgas wenn verflüssigt). Bei dem großen Gewicht der Fahrzeuge reicht das dann für eine Reichweite von 170 km.