Dem im November veröffentlichten EuroObserv’ER Barometer zur Folge hat die Energiegewinnung aus fester Biomasse in Europa zwischen 2009 und 2010 um 8% zugenommen. Aber auf welchem Stand ist die Nutzung der Bioenergie bei unseren europäischen Partnern und gibt es eine intensive Zusammenarbeit zwischen ihnen? Die Abschlusskonferenz zum COACH BioEnergy Projekt bot einen interessanten Einblick in den Stand der Bioenergie in ausgewählten Staaten Ost- und Mitteleuropas. Eine aufschlussreiche Perspektive, die zeigt, mit welch unterschiedlicher Dynamik und Präsenz die Bioenergie in die eigene Energiewende eingebaut wird. Ich habe die Bioenergie-Konferenz besucht und möchte darüber berichten.
Eine vielfältige Bioenergie für ein vielfältiges Europa
Auf das Engagement der Engländer, einen großen Beitrag zur Stärkung der Bioenergie zu leisten, wurde schon in dem Artikel zur Renewable Heat Incentive (RHI) eingegangen. Auch die kürzlich erfolgte Inbetriebnahme des größten Biomasseheizkraftwerks der Welt (750 MW!) auf der größten Insel Europas spricht eine deutliche Sprache.
Auch das im September gestartete transnationale Forschungsprojekt EnAlgae, welches die Gewinnung der Bioenergie aus Algen untersucht, hat seinen Fokus auf 7 Staaten im Nordwesten Europas gerichtet.
Das COACH BioEnergy Projekt konzentriert sich hingegen vor allem auf die Staaten Mittel- und Osteuropas und trägt zur Weiterentwicklung der Bioenergie vor Ort bei.
Jedes Land zeigt abhängig von den eigenen Standortvorteilen besondere Stärken in Bezug auf den Einsatz der Bioenergie. Sich den eigenen Potentialen für die Nutzung von Biogas, Biokraftstoffen oder fester Biomasse bewusst zu werden, wird durch den Austausch und Vergleich mit anderen Ländern erleichtert und beschleunigt.
COACH BioEnergy Projekt gehört zum Central Europe Programme
Das COACH BioEnergy Projekt wird von der Europäischen Union gefördert und gehört zum „Central Europe“ Programm. Das Central Europe Programme wird zwischen 2007 – 2013 mit 231 Millionen € aus dem European Regional Development Funds (ERDF) finanziert.
Die Organisation des EU-Projekts, an dem 18 Institute, Universitäten und Verbände aus 7 Ländern teilnehmen, übernimmt das Fraunhofer Institut MOEZ in Leipzig unter der Projektleitung von Annamaria Riemer.
Das Ziel von COACH BioEnergy ist die Aufnahme und Erforschung zukunftsorientierter Projekte und Technologien für die Bioenergie in den Partnerländern. Dabei werden die gewonnenen Erkenntnisse zur Bioenergie über ein Beratungsnetzwerk gesammelt und auf der Internetseite des Projekts kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Dabei deckt das COACH BioEnergy Projekt folgende Wertschöpfungsschritte der Bioenergie in Europa ab:
- Biomasseanbau in der Land- und Forstwirtschaft
- Vorbehandlung, Transport und Veredelung der Energiepflanzen
- Technologien und Verfahren zur energetischen Umwandlung der Biomasse
Abschlusskonferenz des COACH BioEnergy Projekts in Berlin
Die COACH Bioenergy Abschlusskonferenz fand am 1.Dezember im Fraunhofer-Forum in Berlin statt. Die Konferenz wurde von Teilnehmern aus allen Partnerländern besucht und bei dieser die Ergebnisse einzelner Länder vorgestellt.
Maud Skäringer von der Europäischen Kommission hat in ihrem Vortrag einen interessanten Ein- und Ausblick in die europäische Förderpolitik gegeben. Dabei lag der Schwerpunkt auf dem nächsten Förderzeitraum folgenden Förderinstrumente der EU:
- European Regional Development Fund (ERDF)
- European Social Fund (ESF)
- Cohesion Policy Programm
- European Strategic Energy Technology Plan (SET Plan)
Die kommende Förderphase wird die Jahre 2014 – 2020 umspannen.
In Zahlen betrachtet investiert die Europäische Union in den Jahren 2007 – 2013 eine Summe von 9.3 Milliarden € in die Erforschung und Förderung der Erneuerbaren Energien. Von dieser Summe fließen 1.8 Milliarden in die Bioenergie.
Dabei wies Frau Skäringer darauf hin, dass Energie ein vergleichsweise neues Thema ist, welches mit so gewaltigen Summen gefördert wird. Um die globale Führungsposition der „Low Carbon Economy“ Europas weiter auszubauen, werden im kommenden Förderzeitraum vermutlich nochmal 40% mehr Gelder (etwa 17 Milliarden €) investiert.
10% Biokraftstoffe bis 2013 aus dem Stand möglich
Ein besonderer Moment bei der COACH BioEnergy Abschlusskonferenz war für mich der Vortrag von Helmut Lamp, dem Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbands Bioenergie (BBE). Als Bioenergie-Enthusiast war ich sehr gespannt auf meinen ersten Live-Auftritt des BBE-Vertreters. Im Anschluss hatte ich dann sogar noch das Vergnügen, Herr Lamp persönlich kennenzulernen.
Man merkt Herr Lamp seine Leidenschaft für die kontrovers diskutierte Bioenergie-Branche auch noch nach 13 Jahren BBE-Erfahrung deutlich an. Dabei schafft er es auf spannende Art und Weise die Welt der Bioenergie lebendig werden zu lassen.
Sein Vortrag war eine gelungene Mischung aus Interpretation der aktuellen Bioenergie-Entwicklungen und einem historischen Erfahrungsbericht. So hat er in seiner Präsentation sehr anschaulich die Auswirkungen der EEG Novelle 2012 mit den großen Zusammenhängen der Energiewende verbunden.
Dabei hat Herr Lamp in seinem Vortrag Mut zur Prognose und Lust zur Vision gezeigt. Mit seiner unterhaltsamen Vortragsweise ist er sowohl mahnend auf Konflikte und Hemmnisse der Bioenergie-Rahmenbedingungen eingegangen, ohne dabei die Möglichkeit ungenutzt verstreichen zu lassen, vor dem Fachpublikum auch differenziert, humorvoll und motivierend auf die großen Potentiale der Bioenergie hinzuweisen.
Genug der persönlichen Lobrede für den Bioenergie-Vortrag von Herr Lamp und zurück zu einigen Statements seiner Präsentation auf der COACH BioEnergy Abschlusskonferenz.
So könnte die Biokraftstoffquote mit den vorhandenen Produktionskapazitäten, der vorhandenen Tankstelleninfrastruktur und dem aktuellen Fuhrpark in Deutschland aus dem Stand auf 10% angehoben werden. Und dieser Wert ist bis 2013 oder sogar schon 2012 realisierbar. Aktuell haben Biokraftstoffe (Biodiesel, Bioethanol) einen Anteil von 6,25 % am Kraftstoffmarkt in Deutschland.
Der schlafende Riese für die Entwicklung der Bioenergie und die Einsparung von Treibhausgasen ist der Wärmesektor. Das gilt besonders unter den Begleitumständen, dass pro Jahr etwa 160.000 neue Wohnungen gebaut werden, die von Anfang an mit erneuerbarer Wärme aus Biomasse versorgt werden können. In den vergangenen 30 Jahren ist der Markt für EE-Wärmeanlagen stattdessen um 30% eingebrochen. An dieser Stelle müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen (EWärmeG, KWK-Gesetz etc.) geändert werden.
Der Einschätzung von Herr Lamp, als Vertreter des BBE, zur Folge, liegen die größten Potentiale der Bioenergie vor allem im Wärme- und Kraftstoffmarkt. Für die Erzeugung von Strom ist die Windenergie häufig sogar besser geeignet.
Als die wichtigsten EU-Importländer für Biomasse sieht Lamp nicht die Länder Südamerikas, sondern mittelfristig vor allem die Staaten östlich von Europa. Die Chancen für ausgewogene Partnerschaften des „Geben und Nehmens“ sind hierbei besonders groß. So könnten vorhandene Technologien und Know-How gegen Rohstoffe getauscht werden. Die ILUC-Debatte für Biokraftstoffe hält Herr Lamp weitgehend für absurd, wollte aber in dieser Veranstaltung nicht näher darauf eingehen.
Bioenergie in Mittel- und Osteuropa
Die Grafik zeigt, wie unterschiedlich der Gesamtenergieverbrauch von 4 ausgewählten Partnerländern des COACH Bioenergy Projekt ist. Dabei ist interessant ist, dass alle Länder etwa 10 % ihres Energiebedarfs durch den Einsatz von biogenen Energieträgern decken und sich in der relativen Bedeutung der Bioenergie sehr ähnlich sind. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des UKERC hat gezeigt, dass die Bioenergie mittelfristig sogar 20 % des globalen Primärenergiebedarfs decken kann.
Welche Unterschiede gibt es in der Zusammensetzung der gasförmigen, flüssigen und festen Bioenergie in den betrachteten Ländern?
In mehreren Vorträgen wurde den Projektpartnern die Bioenergie-Situation im eigenen Land vorgestellt. Die Vorträge wurden auf Englisch gehalten und ich möchte einen kleinen Einblick in die vorgetragenen Ergebnisse geben. Die Präsentationen und weitere Informationen zur Bioenergie in Deutschland, Polen, Tschechien und Ungarn können sicher bei den einzelnen Referenten angefragt werden.
Bioenergie in Deutschland beim COACH BioEnergy Project
- Einwohner: 82 Millionen
- Fläche: 357.000 km2
- BIP (2010): 2.490 Mrd. €
- Anteil Biokraftstoffe am Kraftstoffverbrauch (2009): 5.7 %
Christiane Hennig vom Deutschen BiomasseForschungsZentrum (DBFZ) in Leipzig hat in ihrem Vortrag die Herausforderungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen der Bioenergie in Deutschland vorgestellt.
Hierbei hat Deutschland seine Ziele für die Gewinnung von Strom (EEG, BioStr-NachV), Wärme (MAP, EEWärmeG) und Kraftstoffen (BImSchG) aus Biomasse gesetzlich fixiert.
Für weitere Fragen können Sie Frau Hennig unter folgender Email-Adresse erreichen: christiane.hennig
Bioenergie in Polen beim COACH BioEnergy Project
- Einwohner: 38 Millionen
- Fläche: 313.000 km2
- BIP (2010): 354 Mrd. €
- Anteil Biokraftstoffe am Kraftstoffverbrauch (2009): 4.8 %
Magdalena Rogulska vom Institut for Fuels and Renewable Energy (IPiEO) in Warschau hat den Stand der Bioenergie in Polen vorgestellt.
Aktuell ist die Bioenergie in folgende Erneuerbare-Energien-Landschaft in Polen eingebettet: 48 % Wind Energie, 31 % feste Biomasse, 12 % Biogas und 9 % Wasserkraft.
Dabei müssen die Inhalte der EU-Richtlinie RED 2009/28/ EU noch in polnisches Recht übernommen werden, um die weitere Errichtung von bioenergetischen Anlagen zu unterstützen. Ende 2010 waren in Polen 70 Biogasanlagen in Betrieb.
In Polen stehen den Angaben von Frau Rogulska zur Folge etwa 1.5 Millionen Hektar für den gezielten Anbau von Energiepflanzen zur Verfügung. Die Hauptimportländer für Biomasse sind weiterhin Weißrussland, die Ukraine und Russland.
Für die kommenden Jahre ist außerdem die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und der Upscale von Lignocellulose-Anlagen geplant. Mit der Förderung von Lignocellulose-Ethanol intensiviert Polen sein Engagement bei der Herstellung von Biokraftstoffen der nächsten Generation.
Für weitere Informationen zur Bioenergie in Polen können Sie Frau Rogulska unter folgender Email-Adresse erreichen: mrogulska[at]ipieo.pl
Bioenergie in Tschechien beim COACH BioEnergy Project
- Einwohner: 10.5 Millionen
- Fläche: 79.000 km2
- BIP (2010): 146 Mrd.
- Anteil Biokraftstoffe am Kraftstoffverbrauch (2009): 3.4 %
Jan Kolonicny vom Energy Research Center der Technischen Universität von Ostrava (VSB) hat über die Bioenergie in Tschechien berichtet.
Die Bioenergie hat in Tschechien einen tollen Stand und man muss fast schon davon sprechen, dass Biogas, Biokraftstoffe und feste Biomasse mit einem 85%-Anteil den Markt der Erneuerbaren Energien dominieren.
Der wichtigste bioenergetische Rohstoff in Tschechien sind Holzhackschnitzel. Außerdem kommen innovative Rohstoffe wie beispielsweise Abfälle aus der Papier & Zellstoffindustrie (Schwarzlauge) zum Einsatz.
Die gasförmige Bioenergie war im Jahr 2010 mit 150 Biogasanlagen oder 25 MW Leistung in Tschechien vertreten. Neue Gesetze für die Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung und die Aufbereitung von Bioerdgas gelten ab 2013.
Für die Herstellung von Biokraftstoffen (Biodiesel und Bioethanol) werden aktuell nur die Hälfte der vorhandenen Produktionskapazität genutzt und es wird eine vergleichsweise geringe Quote von 3.4 % am Gesamtkraftstoffmarkt erreicht. Die Slowakei hat mit einem 8.6 %-igen Biokraftstoffanteil die aktuell höchste Biokraftstoff-Quote in der gesamten EU.
Für nähere Informationen zur Bioenergie in Tschechien können Sie Herrn Kolonicny unter folgender Email-Adresse erreichen: jan.kolonicny[at]vsb.cz
Bioenergie in Ungarn beim COACH BioEnergy Project
- Einwohner: 10 Millionen
- Fläche: 93.000 km2
- BIP (2009): 98 Mrd.
- Anteil Biokraftstoffe am Kraftstoffverbrauch (2009): 3.1 %
Der Stand der Bioenergie in Ungarn wurde von Ada Amon vom ENERGIEKLUB Climate Policy and Applied Communications in Budapest vorgestellt.
Demnach sind die Zukunftsaussichten für die energetische Nutzung von Biomasse in Ungarn nicht so günstig wie in den zuvor vorgestellten Ländern. Aktuell hat die Bioenergie allerdings noch einen 74%-igen Anteil (40 PJ) innerhalb der Erneuerbaren Energien in Ungarn.
Solar und Wind haben dafür ein größeres Ausbaupotential, wobei Frau Amon darauf hinweist, dass die Situation für die Erneuerbaren Energien in Ungarn insgesamt noch stark ausbaufähig ist. So sind im gesamten ungarischen Parlament nur 2 Parlamentarier mit den Erneuerbaren Energien betraut.
Die Genehmigung von bioenergetischen Anlagen ist sehr aufwendig und allein für die Errichtung einer Biogasanlage in Ungarn ist die Autorisierung von über 30 Behörden notwendig. Neben den zu komplexen Genehmigungsverfahren nennt Frau Amon die fehlende gesetzliche Sicherheit als Hauptgrund für eine schnellere Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Ungarn.
Soviel zur Abschlusskonferenz des COACH BioEnergy Projekts. Vielen Dank für die interessante Veranstaltung zur Bioenergie in Mittel- und Osteuropa an alle Referenten und Organisatoren.