
BiomassMuse war an einer Studie über die Auswirkungen einer CO2-Steuer für die energieintensive Industrie beteiligt. Da dem CO2 Preis für einen erfolgreichen Abschluss der Energie- und Rohstoffwende eine wichtige Rolle zukommt, wird das komplexe Thema in diesem Artikel vorgestellt. Inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der Bedeutung der CO2-Bepreisung für die deutsche Industrie und den Chancen für einen beschleunigten Aufbau der Bioökonomie.
Industrialisierung und die fossile Bioenergie
Wie die Erfahrung zeigt, ist der Umstieg von fossiler auf nachwachsende Biomasse (Kohlenwasserstoffe) kein Selbstläufer, sondern eine Mammutaufgabe. Wer etwas anderes behauptet ist ein Träumer oder Schwindler. Besonders groß ist die Herausforderung dieser tiefgehenden Transformation für eine Industrienation wie Deutschland. Eine Eisen-, Stahl- oder Chemieindustrie haben sich in der namensgebenden Epoche der Industrialisierung herausgebildet. Dieses gesellschaftliche Phänomen basiert auf der Möglichkeit zur Nutzung von billiger Energie. Energie, die erst durch die Förderung fossiler Biomasse wie Kohle, Ergas oder Erdöl in großer Menge vorhanden ist. Den gewonnenen Wohlstand der vergangenen Generationen verdankt Deutschland der fossilen und mentalen Bioenergie. Aus der Kombination beider entwickelt sich die berühmt berüchtigte Industrielandschaft Deutschlands samt der technischen Infrastruktur und den politischen Rahmenbedingungen.
Never change a running system
Warum also etwas verändern? Eine über Jahrzehnte aufgebaute, energieintensive Industrielandschaft auf ein neues Energiesystem umzustellen ist eine riskante Operation am offenen Herzen. Never change a running system! Das ist nicht nur ein dynamisch klingender Satz aus zufällig zusammen jonglierten Worten, sondern emotionale Quintessenz unserer hyperaktiven Spezies. Fakt ist aber auch, dass die energieintensiven Industrien zur Herstellung und Formung ihrer, bzw. unserer Materialien (Baustoffe, Chemikalien, Glas, Nicht-Eisenmetallen, Papier, Stahl etc.) auf fossile Bioenergieträger zurückgreift. Und diese sind endlich. Nicht heute und auch nicht morgen, aber innerhalb der nächsten Generationen. Dazu kommt, dass die feste (Kohle), flüssige (Erdöl) und gasförmige (Erdgas) fossile Bioenergie zum Treibhauseffekt beiträgt. Zur Stillung ihres Energiehungers setzen einige Staaten mittlerweile auf stark kritisierte Fördermethoden für die organischen Verbindungen (Fracking, Ölsande). Manch vereinigte Gruppe von Homo Sapiens geht soweit, dass sie das umweltschädliche Fracking-Gas nutzen möchte, um eine andere Gruppen der globalen Homo-Sapiens-Familie in die Abhängigkeit zu führen. Dafür kommen leider nicht nur bei den Fördermethoden, sondern auch beim Ausstechen von Mitbewerbern, um die Absatzmärkte der Energieträger, sehr aggressive Methoden zum Einsatz (North-Stream-2-Konflikt). Das fossile Energiesystem läuft also aus verschiedenen Gründen nicht mehr rund, weshalb ist es auch richtig und notwendig ist, etwas zu ändern.
CO2 Preis zur Finanzierung der Energiewende
Wie gelingt also die Umstellung von den endlichen auf die unendlichen Energieträger? Wobei “endlich” und “unendlich” auf den Zeithorizont unserer schnelllebigen Spezies bezogen ist. Losgelöst von allen Träumereien, wer finanziert die Transformation die jeder will, aber niemand will? Absurd. Das ist jedenfalls die Billionen-Euro-Frage, auf die wir nicht nur in Deutschland seit Anfang des Jahrhunderts nach Antworten sucht. Es ist nicht vermittelbar, dass die Gelder für diese zweite große deutsche Wende in 30 Jahren aus den begrenzten Haushalten für Rentner, Schulen oder der Landesverteidigung entnommen werden. Seit einigen Jahren wird deshalb die Finanzierung der Energiewende über den Verursacher des Problems diskutiert. Achtung Achtung mein Name ist Dioxid, Kohlen Dioxid. Also die Finanzierung über das wichtigste Klimagas CO2 und seine Äquivalenten (Methan,Lachgas etc.). Konkret soll das über die Einführung eines Preises auf Kohlenstoffdioxid, den so genannten CO2 Preis, umgesetzt werden. Die Höhe des CO2 Preises soll direkt daran bemessen werden, wie viel die Handlung eines Bürgers oder Unternehmens zur Abhängigkeit von den Fossilen, dem Klimawandel und somit den Kosten (Externe Kosten) für die kommenden Generationen beiträgt. Vernünftig, logisch und irgendwie elegant. Die Geburtsstunde der CO2-Preis-Debatte. Begleitet von zahlreichen Wissenschaftlern (PIK, MCC etc.), beschleunigt durch die öffentlichen Aktionen von Fridays-for-Future und Extinction-Rebellion, wurde 2019 intensiv über die Einführung eines nationalen CO2 Preises für Deutschland diskutiert. Die beiden Bewerber zur Umsetzung: CO2-Steuer oder CO2-Emissionshandel. Jetzt gewinnt das Thema Steuern, wenn nicht mit Versprechen der Senkung verbunden, selten politischen Wahlen, was einer der Gründe gewesen sein dürfte, warum es die Umsetzung des CO2 Preises über eine CO2-Steuer so schwierig gehabt hat. Wer will schon noch mehr von seinem mühsam verdienten Geld anführen? Dazu in einem Land, dass nach Belgien den höchsten Steuersatz weltweit hat und für die Rettung einer Welt, die sehr abstrakt in der Zukunft liegt. Was sind die großen Unterschiede zwischen der Steuer und dem Emissionshandel?
UNTERSCHIEDE DER SYSTEME ZUR CO2 BEPREISUNG | |
CO2-Steuer | Emissionshandel CO2-Zertifikate |
Staatlich vorgegebener CO2-Preis | Marktgesteuerter CO2-Preis |
Feste Höhe (vom Staat vorgegeben) | Flexible Höhe (marktgesteuert) |
Ohne Limit für Emissionen | Obergrenze für Emissionen (Cap) |
Zahlung bei Verbrauch | Einkauf von Zertifikaten im Vorfeld |
CO2-Steuer in den Ländern Europas
Trotz und ein bisschen auch wegen den apokalyptischen Szenarien gibt es einige Länder, die schon seit vielen Jahren einen CO2-Preis eingeführt haben. Dazu zählen Nationen wie die Schweiz, Schweden oder Slowenien. Aber nicht nur Länder mit “S” haben sich für die Steuer auf CO2 entschieden, auch die Estländer und Finnen sind bereit, sich für ihren individuellen klimatischen Fußabdruck besteuern zu lassen. Und yes we can, ab dem kommenden Jahr (2021) werden auch “wir Deutschen” zu dieser noblen Gemeinschaft zählen, die bereit ist, mehr Verantwortung für die nachkommenden Generationen unserer Spezies zu übernehmen.
BEHG bringt CO2-Bepreisung für Deutschland
Und für welche Form des CO-Preises hat sich Deutschland, bzw. deren verantwortlichen Volksvertreter, entschieden? Statt der unpopulären CO2-Steuer wird es einen nationalen Handel mit Emissionszertifikaten geben. Das sagt schon der Name des Gesetzes, der den CO2-Preis für Deutschland regeln wird: das Bundesemissionshandelsgesetz (BEHG). Hauptgrund ist demnach der Wunsch nach Kompatibilität mit dem Europäischen Emissionshandel.
Auch wenn von einem CO2-Emissionshandel gesprochen wird, sieht es bei genauer Betrachtung eher nach einem Mittelweg zwischen beiden Systemen zur nationalen CO2-Bepreisung aus. Mindestens die Höhe der CO2-Zertifikate wird nicht durch einen dynamischen Emissionshandel am Markt ermittelt, sondern als CO2-Festpreis per Gesetz (BEHG) vorgegeben. Das gilt erstmal bis 2026 und danach limitiert ein CO2-Maximalpreis den freien Handel.
Nationaler CO2 Preis ergänzt EU ETS
Die Verabschiedung des Bundesemissionshandelsgesetz ist für Mitte des Jahres geplant. Bisher gibt es einen Entwurf zum Brennstoffemissionshandelsgesetz vom 12.12.2019.
Der CO2-Preis, der über das BEHG vorgegeben wird, soll den Europäischen Emissionshandel (EU ETS) komplettieren. Das System befindet sich aktuell im letzten Jahr der 3. Handelsperiode (2013 – 2020). Seit 2005 umfasst es die Emissionen von über 10.000 energieintensiven Anlagen (Kraftwerke, Industrie) und regelt seit 2012 auch den innereuropäischen Luftverkehr. In Ergänzung hierzu wird der nationale CO2 Preis auf die Marktpreise für Heiz- und Kraftstoffe umgelegt, welche noch nicht vom EU ETS erfasst sind. Somit regelt das BEHG die noch fehlenden Energiesektoren Wärme (Raumwärme und Warmwasser → Beheizung von Gebäuden) und Mobilität (Straßenverkehr). Der dritte Energiesektor, der Stromsektor wird weiterhin dem transeuropäisch vom EU ETS gesteuert. Europäische und nationale CO2 Bepreisung (Factsheet Umweltbundesamt) sollen also gemeinsam und marktgetrieben die Energiewende von fossil und endlich, Richtung erneuerbar und unendlich, voranbringen.
In der Sprache des BEHG-Entwurfs heißt es folgendermaßen: Zweck dieses Gesetzes ist es, die Grundlagen für den Handel mit Zertifikaten für Emissionen aus Brennstoffen zu schaffen und für eine Bepreisung dieser Emissionen zu sorgen, soweit diese Emissionen nicht vom EU-Emissionshandel erfasst sind, um damit zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele […] beizutragen. Zweck des nationalen Emissionshandelssystems ist die Bepreisung fossiler Treibhausgasemissionen.
Wie hoch sind die CO2 Kosten in Deutschland?
Nach einer umfassenden Debatte über seine Höhe, wird der CO2-Preis in Deutschland bei anfänglich (2021) 25 Euro je Tonne CO2 liegen. In den Folgejahren bis 2025 wird er dann in Stufen auf 55 Euro ansteigen. Was bedeutet ein solcher CO2-Preis für die potenzielle Preisentwicklung im Alltag? Eine durchschnittliche Kilowattstunde Strom setzt in Deutschland aktuell etwa 450 g CO2 frei (siehe Grafik des Umweltbundesamts). Das bedeutet, dass für den Verbrauch von 2.222 kWh elektrischer Energie eine Tonne CO2 freigesetzt wird und somit 25 Euro als CO2-Preis anfallen. Abhängig vom Energieverhalten des Verbrauchers, entspricht das dem einfachen (hedonistisch) bis doppelten (sparsam) Stromverbrauch eines Deutsche/n. Die CO2-Fracht im Wärmebereich entspricht etwa der Hälfte, da die Energieumwandlung des Primärenergieträgers im Wärmebereich effektiver ist. Bei Kraftstoffen ist bei einer Eins-zu-Eins-Umsetzung des CO2-Preises mit einem Anstieg von 5 bis 10 Cent je Liter zu rechnen. Bei einem angenommenen CO2-Preis von 100 EUR je Tonne, ist mit einem Anstieg von 20 bis 40 Cent je Liter. Die Bundesregierung plant, den Bürgern den finanziellen Mehraufwand über andere Wege (Klimageld) zu erstatten.
Ab dem Jahr 2026 sollen die Emissionszertifikate versteigert werden. Wie sich der CO2-Preis in der Versteigerung entwickelt, wird vom BEHG (§ 10) mit der Vorgabe eines Preiskorridors geregelt. Experten vom PIK und MCC (Edenhofer & Co) kritisieren, dass der CO2-Preis auch weiterhin zu niedrig ist, um seine Wirkung zu entfallten. Sie befürchten, dass für eine Einhaltung der Klimaziele der Zertifikatepreis ab 2026 überraschend stark steigen könnte, was die Gefahr von sozialen oder wirtschaftlichen Verwerfungen bürgt. Die Wissenschaftler empfehlen einen höheren CO2-Preis zum Einstieg. Hier gibt es weitere Stellungnahmen zum BEHG und dem CO2-Preis, unter anderen vom BEE, VDB und VDI.
Senkung der CO2-Emissionen
Die auf nationaler Ebene vorgegebenen Kosten für die Energiewende werden in Deutschland ausschließlich von den Bürgern und mittelständischen Unternehmen getragen. Aktuell geschieht das noch hauptsächlich über den Stromsektor, begrenzt über den Mobilitäts- (Schiene) und gar nicht über den Wärmesektor. Die Finanzierung passiert direkt über den Strompreis. Jede Kilowattstunde Strom, unabhängig ob fossilen oder erneuerbaren Ursprungs, unterstützt den Ausbau der erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage (aktuell 6.7 Cent/ kWh). Jede verbrauchte Kilowattstunde, welche in der Abrechnung die EEG-Umlage enthält, finanziert eine Erneuerbaren-Energien-Anlage und ist somit ein Beitrag für die Energiewende hierzulande. Ein direkter Beitrag zum Klimaschutz ist jede eingesparte Kilowattstunde (“Negawattstunden”). Zu erwähnen bleibt, dass ausgewählte Industrien, abhängig von ihrer Energieintensität und dem jährlichen Stromverbrauch, von der Zahlung der EEG-Umlage befreit oder teilbefreit sind. Die privilegierten Unternehmen zahlen einen niedrigeren Strompreis, der teilweise nur ein Fünftel des Strompreises eines Haushalts beträgt. Auf diesem Wege sollen die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie auf den globalisierten Märkten und die verbundenen Arbeitsplätze in Deutschland gesichert werden.
Die folgende Grafik des Umweltbundesamts zeigt die relative CO2-Einsparung im Stromsektor, die durch das EEG und den Zubau der Erneuerbaren Energien bisher erzielt werden konnten. Anhand der durchschnittlichen CO2-Emissionen ist zu erkennen, wie die CO2-Fracht je Kilowattstunde wellenartig abnimmt und sich seit 1990 von 800 auf aktuell rund 550 Gramm CO2 je Kilowattstunde reduziert hat.
Nationaler CO2 Preis für die Industrie
Im europäischen Emissionshandel wird neben dem Stromverbrauch bisher auch die Prozesswärme von Anlagen der Industrie mit CO2-Zertifikaten belegt. Ungewiss ist, in welcher Form der deutsche CO2 Preis, im Mantel des nationalen Emissionshandels, die Industrie, bzw. die Unternehmen der einzelnen Industrien, zusätzlich belasten wird. In der Begründung zum Gesetzesentwurf (BEHG) ist formuliert: Dabei umfasst das System im Sektor Wärme die Emissionen der Wärmeerzeugung des Gebäudesektors und der Energie-und Industrieanlagen außerhalb des EU-ETS. Hört sich nach der Befreiung ausgewählter Industrien von der nationalen CO2-Bepreisung an, da die Energieintensiven am EU ETS teilnehmen. Auf der anderen Seite werden die Emissionen für die Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser nicht vom EU ETS erfasst. Es bleibt also ungewiss, ob es bei der Umsetzung des CO2 Preises Ausnahmen für die Industrie geben wird. Im BEGH heißt es weiter: Teilnehmer am nEHS sind die Inverkehrbringer oder Lieferanten der Heiz- und Kraftstoffe. […] Anders als im EU-Emissionshandel setzt das nationale Emissionshandelssystem nicht bei den direkten Emittenten als Verursacher der Emissionen an, sondern auf den vorgelagerten Handelsebenen bei den Unternehmen, die die Brenn-und Kraftstoffe in Verkehr bringen (sog. „Upstream-ETS“). Bedeutet, dass von den Inverkehrbringern der Primärenergieträger ein Nachweis über ein CO2-Zertifikat verlangt wird, welches von einer zentralen Handelsstelle, wahrscheinlich dem Umweltbundesamt, gegen die Zahlung des gesetzlich vorgegebenen CO2 Preises, herausgegeben wird. Doppelbelastungen für die Industrie, als auch für die Energiewirtschaft, sollen in jedem Fall vermieden werden. Im Gesetzesentwurf steht hierzu: Doppelerfassungen von Brennstoffemissionen bei Anlagen im Anwendungsbereich des EU-ETS sollen soweit möglich bereits durch eine Befreiung von der Abgabepflicht für Lieferungen an ETS-Anlagen vermieden werden.

Klimaschutzgesetz begrenzt Emissionen der Industrie
In einem weiteren Gesetz des Klimapakets, dem Klimaschutzgesetz (KSG), werden die sechs Wirtschaftssektoren genannt, deren Akteure zusammengenommen feste Reduktionsziele für ihren CO2-Ausstoß nachweisen müssen. Diese Sektoren sind die Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und die Abfallwirtschaft. Im Sektor der Industrie werden noch drei Quellkategorien differenziert, in denen die Emissionen erfasst und für die jährliche Überprüfung der Minderungsziele dem Umweltbundesamt mitgeteilt werden müssen. Die Quellkategorien für die Industrie lauten:
- Verbrennung von Brennstoffen im verarbeitenden Gewerbe und der Bauwirtschaft
- Industrieprozesse und Produktverwendung
- CO2-Transport und -Lagerung
Die Ergebnisse der Emissionsberichte aller Wirtschaftssektoren (inkl. der Industrie) werden in einem jährlichen Klimaschutzbericht zusammengeführt, woraufhin der Klimaschutzplan angepasst und konkrete Maßnahmenprogramme für die einzelnen Sektoren veranlasst werden. Die Maßnahmenprogramme des Klimaschutzgesetzes (BKG) sollen durch die Einnahmen des CO-Preises des BEHG finanziert werden. Die Grafik zeigt, dass die deutsche Industrie seit den Neunzigern bereits 20 Prozent an CO2-Emissionen eingespart hat. Das hört sich vielleicht nicht nach viel an, ist aber parallel zu einem rasanten Wachstum der Industrie passiert (DAX 1995: 2.200, DAX 2020: 13.000). Wie die Erfahrung zeigt, nehmen die CO2-Emissionen mit wachsendem Industrialisierungsgrad eher zu.
Studie untersucht CO2 Preis für Industrie
Die Prognose der Kosten, die durch einen CO2 Preis auf die Industrie zukommt, hat eine heute (18.02.2020) veröffentlichte Studie untersucht. Die Studie läuft unter der Flagge der CO2 Steuer, untersucht aber letztlich die finanziellen Auswirkungen auf die Industrie, welche durch die Einführung von einem CO2 Preis zu erwarten sind. Herausgeber der Studie ist die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE), bzw. deren Stiftung für Arbeit und Umwelt. Wie der Name der Gewerkschaft treffend beschreibt, gehören zu ihren Mitgliedern einige der traditionellsten und größten Industrien Deutschlands. Die notwendigen Anpassungen an die Energiewende sind für diese energieintensiven und im globalen Wettbewerb stehenden Industrien eine besondere Herausforderung. Daher auch die Idee, proaktiv die Belastungen einer CO2-Bepreisung zu ermitteln. Durchgeführt wurde die Studie in Zusammenarbeit mit der Schultz projekt consult (SPC), einem Beratungsunternehmen für Energiepolitik und Energiemärkte mit Sitz in Berlin. Ron Kirchner, Blogger bei BiomassMuse, hat für SPC die CO2 – Steuermodelle aufgestellt, gerechnet und die Ergebnisse grafisch ausgewertet. Einer der Gründe, warum das Thema CO2-Steuer für die Industrie so ausführlich auf BiomassMuse vorgestellt wird. Gemeinsam mit Reinhard Schultz, Malte Harrendorf und Iman Sheiko hat das SPC-Team die Studie rund um CO2 Steuer, EU ETS und Merit Order umgesetzt und mit der Stiftung für Arbeit und Umwelt erfolgreich abgeschlossen.
Die Studie geht der Frage nach, wie sich verschiedene CO2-Steuer-Szenarien auf die Energiekosten ausgewählter Industrien auswirken. Konkret werden die zu erwartenden Energiepreise im Strom, Wärme und mit Einschränkungen im Mobilitätsbereich berechnet. Die betrachteten Industrien mit besonders hohem Energieverbrauch sind:
Hier vielleicht auch gleich ein paar Zahlen nennen (Energieverbrauch, Energiekosten, Emissionen)
- Aluminiumindustrie
- Chemieindustrie
- Glasindustrie
- Kupferindustrie
- Papier- und Zellstoffindustrie
- Stahlindustrie
Die Studie zur Klimasteuer betrachtet das komplexe Thema einer CO2 Bepreisung aus vielen Perspektiven und setzt sich mit verschiedensten Szenarien und Risiken dieser fiskalpolitischen Klimaschutzmaßnahme auseinander. Nicht wirklich neutral, aber als Mitverfasser der Studie zur CO2 Steuer für die Industrie (LINK) möchte ich diese zum Lesen oder Durchblättern empfehlen. Außerdem möchte ich der Stiftung für Arbeit und Umwelt für die Beauftragung der Studie und der Schultz projekt consult für die Möglichkeit zur Erstellung der Klimamodelle zur CO2-Bepreisung danken.
CO2-Bepreisung trifft auf 4. Industrielle Revolution
Nachvollziehbar, dass die Unternehmen der energieintensiven Industrie erstmal keine ausgezeichneten Freunde vom CO2 Preis sind. Die Bereitstellung von Prozesswärme und auch die Versorgung mit Strom basieren weitgehend auf Kohle und Erdgas mit ihren jeweiligen CO2-Fußabdrücken. Ablehnung gegen die CO2-Bepreisung von Seiten der Industrie rührt allerdings vor allem daher, dass die Maßnahme zur Klimastabilisierung nicht alle Marktteilnehmer unserer globalisierten Welt gleichermaßen trifft, sondern auf europäische Unternehmen beschränkt ist. Die Sorge um eine Deindustrialisierung Deutschlands auf die Einführung eines CO2 Preises zu schieben, halte ich trotzdem für übertrieben. Im dystopischen Fall ist der CO2 Preis einer von mehreren Punkten, der die Schwerindustrie am Standort Deutschland am Anfang des 21. Jahrhundert auf eine harte Probe stellt.
Bei der Beurteilung der Auswirkungen eines CO2 Preises für die Industrie sollten drei Aspekte nicht außer Acht gelassen werden.
Erstens: Die Industrie kann Anpassungsmaßnahmen treffen. Beim Umstieg auf CO2-neutrale Energiesysteme stehen der Kreativität der Unternehmen während der 4. Industriellen Revolution viele Türen offen. Innovative Anpassungen können die erstmal anfallenden Kosten der CO2-Abgabe schnell wieder reduzieren. Das geht soweit, dass die Energiekosten nach der Anpassung sogar niedriger liegen können als momentan, da die Erneuerbaren, einmal installiert, sehr niedrige Grenzkosten haben. Diese Operation am offenen Herzen benötigt jedoch umfangreiche Investitionen. Investitionen, die durch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Politik unterstützt werden müssen. Die Industrien benötigen stabile Rahmenbedingungen, um die Umstrukturierung für die Welt von Morgen zu planen. Hier dürfen nicht alle fünf Jahre neue Ziele oder Technologien vorgegeben werden. Außerdem müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen aufeinander abgestimmt sein und sollten wie in einem Planetengetriebe ineinander greifen. Nur dann kann Investitionssicherheit für den Umstieg auf klimafreundliche Energieträger und der Schutz der Arbeitsplätze in der Industrie erreicht werden. Zugegeben lässt sich so ein honores Ziel leichter in einem Artikel formulieren, als dann in den Fachausschüssen und Lesungen von Bundestag und -rat konkret durchsetzen.
Zweitens: Carbon-Leakage-Schutz. Sollte es hart auf hart kommen, und die Erfahrungen der Realität zeigen dass ein niedriger CO2 Preis die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Industrie beeinflusst, hat die Politik angekündigt zu helfen. Der EU-Kommissar für Klimaschutz, Frans Timmermanns, hat erst Anfang des Jahres (2020) versichert, dass es einen CO2-Grenzausgleich zum Carbon-Leakage-Schutz der Industrie Europas geben wird, wenn die internationalen Wettbewerber von einer CO2 Bepreisung absehen. Auch an dieser Stelle muss leider wieder gesagt werden, dass die Umsetzung des CO2-Grenzausgleichs auf Im- und Exporte in der Praxis eine große Herausforderung werden und die Bürokratie zu diesem ohnehin komplexen Thema noch weiter anwachsen wird
Preis auf CO2 beschleunigt Aufbau der Bioökonomie
Drittens: Der CO2 Preis bringt die Industrie dazu, einen stärkeren Fokus auf die chemische Verbindung Kohlenstoffdioxid zu legen und deren Position im Kohlenstoffkreislauf genau zu hinterfragen. Hoffentlich werden wir in Zukunft mehr Industrieunternehmen sehen, die aus der Not eine Tugend machen. Das bedeutet, dass die Nutzung und der Ausbau interessanter CO2-Nutzungspfade (CCU) ein gewaltiges Potenzial birgt. Vor allem für die Unternehmen aus der Industrie und Energiewirtschaft, die zu den größten punktuellen CO2-Emittenten gehören. Sobald ein Umdenken bezüglich CO2 innerhalb der Gesellschaft erfolgt ist und dieses nicht mehr nur als Klimagas, sondern auch als wertvoller Rohstoff, z.B. für Pfade der Bioökonomie, gedacht wird, sitzen die Industrien bildhaft formuliert auf einer sprudelnden Goldquelle. Eine erfolgreiche Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger kann die deutsche Industrie auch zu First Movern machen. Der Status des Pioniers birgt Gefahren, bringt aber auch Chancen mit sich. Gerade deshalb ist es wichtig, zu den eigenen Standards (Qualität, Umwelt, Klima) zu stehen und damit zu den Vorreitern einer neuen Industrie zu gehören. Eine der geschätzten Qualitäten von “Made in Germany” war immer, dass die Produkte innovativ sind. Das gilt vor allem, aber nicht nur, für den Anlagenbau, die Automobilindustrie oder die Entwicklung chemischer Verfahren. Neben den befürchteten Risiken, bietet die frühzeitige Umstellung also auch die Chance eines Technologievorsprungs. Angenommen die Industrien in China, Indien oder den USA ziehen bei der Lösung von den fossilen Energieträgern nach (was sie irgendwann müssen, da diese endlich sind), profitiert die europäische und deutsche Industrie von ihrem Vorsprung. Ob wir gleich ein grünes Wirtschaftswunder auslösen, wie es die beeindruckend ambitionierte Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen anstrebt, bleibt abzuwarten. Die Sterne für ein solches Grünes Wunder standen in der EU (European Green Deal, FFF etc.) und Deutschland (Kohleausstiegsgesetz, Klimaschutzgesetz, BEHG) jedenfalls nie besser