EEG 2012 mit Potential für Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Mini-Biogasanlagen

Zum Abschluss der Artikel-Serie über Mini-Biogasanlagen möchte ich auf eine Eigenschaft der Bioenergie hinweisen, die mir persönlich sehr am Herzen liegt und über die noch wenig berichtet wird. Bioenergie und speziell die dezentrale gasförmige Biogastechnologie kann zum Aufbau einer autarken Energieversorgung in Ländern beitragen, deren Energie-Infrastruktur weniger weit entwickelt ist, als die der Länder Europas. Dieser Artikel betrachtet das große Potential von Mini-Biogasanlagen für Entwicklungsländer, da diese Kleinanlagen mit dem EEG 2012 einen starken Entwicklungsschub erleben.

Deutschland ist Weltmarktführer in der Biogastechnologie

Diese Sonderstellung Deutschlands bei der gasförmigen Bioenergie muss doch auch für die Umsetzung internationaler Projekte wertvoll sein. Ist sie auch! Zahlreiche Anlagenhersteller (Weltec, EnviTec, MT-Energie etc.) sind bereits  international aktiv und bauen Biogasanlagen in Polen, Italien, USA oder China. Hierbei geht es aber bisher vor allem um größere Biogasanlagen jenseits der 500 kWel.

Natürlich ist diese internationale Zusammenarbeit nicht als altruistische Schenkung von technologischem Know-How und zugehöriger Projekterfahrung zu verstehen, sondern die entstandenen Partnerschaften führen zu Win-Win-Situationen für die beteiligten Unternehmen, deren Angestellte und die Länder aus denen sie stammen.

Die Vorreiterschaft deutscher Unternehmen, die sich getragen von der Biogas-Euphorie der vergangenen Jahren hierzulande entwickelt hat, kann  aber auch für den Aufbau internationaler Partnerschaften im kleineren Leistungssegment von Biogasanlagen genutzt werden.

Wenn ich über das EEG und neue Technologien zur Biogasaufbereitung in Deutschland schreibe, rutscht der Traum von einer modernen UND „weltverbessernden“ Bioenergie manchmal etwas in den Hintergrund. Aber genau dieses Gesicht kann die Bioenergie auch haben und sie steht für ein Energiesystem, welches vielen Menschen erst den Zugang zu einer eigenen Energieversorgung ermöglicht.

Biogasrucksack und Mikro-Biogasanlage als pragmatische Biogastechnologien

Biogasrucksack für Kleinbauern in Äthiopien
Biogasrucksack für Bauern in Äthiopien

Dieses Bild vom Biogasrucksack kennen sie wahrscheinlich. Wenn nicht, dann genießen sie einen dieser seltenen Momente in denen man einer einfachen, preiswerten aber sehr wirksamen Innovation begegnet.

Der  Biogasrucksack ist eine Technologie „Made in Germany“ und wurde an der Universität Hohenheim entwickelt. Katrin Pütz vom Institut für Agrartechnik der Uni Hohenheim hat im Anschluss an die technologische Entwicklung des Biogasrucksacks eine Einsatzstrategie für die Kleinbauern in Äthiopien entwickelt.

Der Biogasrucksack ist sicher die kleinste Biogasanlage der Welt. Genau genommen erzeugt der Biogasrucksack auch kein Biogas, sondern ist ein effektives Speichermedium zum Transport des wertvollen Bioenergieträgers.

Der Biogasrucksackt wiegt in gefülltem Zustand nur 3 bis 4 Kilogramm und ist nach Aussage von Frau Pütz als „Lösung für eines der drängendsten Umwelt- und Energieprobleme der Kleinbauern in Äthiopien“ gedacht. Eine umfassende Beschreibung des Biogasrucksacks finden sie auf der Internetseite der Universität Hohenheim.  

Ein weiteres interessantes Vorbild für den Einsatz von Mini-Biogasanlagen in Entwicklungsländern ist das Projekt „BiogaST“. Innerhalb dieses Projekts hat die Organisation Ingenieure ohne Grenzen seit 2008 eine Kleinstbiogasanlage in Tansania aufgebaut.

Dass die Biogasbranche, zumindest in Südafrika, schon eine breite Betreibergemeinschaft erfreut, zeigt das interessante und preisgekrönte Konzept der Mikro-Biogasanlage des südafrikanischen Unternehmens AGAMA Biogas.

Die Mikro-Biogasanlage BiogasPro misst 2 m im Durchmesser und 2.5 m in der Höhe. Das Gewicht der Anlage beträgt etwa 300 kg. Mit Substraten wie Hühner-, Ziegen- und Schweinegülle sowie Bioabfällen kann etwa eine Leistung von 3.5 kWel erzeugt werden. Dabei kann die gesamte Mikro-Biogasanlage bei entsprechenden Bodenverhältnissen innerhalb von 2 Tagen komplett installiert werden.

Mini-Biogasanlage in Südafrika
3.5 kW Mikro-Biogasanlagen in Südafrika

Diese Mikro-Biogasanlagen bedienen damit ein noch kleineres Leistungssegment als die 75 kW Mini-Biogasanlagen des EEG 2012. Die 3.5 kW Anlagen sind ausreichend, um in etwa den Strombedarf eines 4-Personen-Haushalts abzudecken.

Dank der Anfang 2012 in Kraft getretenen Novelle des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG), ist in den kommenden Monaten und Jahren ein technologischer Sprung bei der Entwicklung von Mini-Biogasanlagen bis 75 kW in Deutschland zu erwarten. In Kombination mit den gemachten Erfahrungen der ersten Biogasprojekte in Entwicklungsländern kann der Ausbau dieser kleinen Biokraftwerke deutlich an Fahrt aufnehmen.

Energierevolution für Regionen ohne eigene Energieversorgung

Um das große Potential von Mini-Biogasanlagen wirklich zu begreifen, muss man meiner Meinung nach den Bioenergie-Fokus von Deutschland und dem EEG 2012 etwas abwenden. In Deutschland muss ein Projekt zur Errichtung einer Mini-Biogasanlage bis 75 kW sehr scharf kalkuliert werden, damit es sich im Wettbewerb mit anderen Energieversorgungsmöglichkeiten überhaupt wirtschaftlich durchsetzen kann.

Von diesem bestehenden Optimierungsdruck hierzulande können Entwicklungsländer profitieren. In Bezug auf die Herstellungskosten und die Biogasausbeute werden die Kleinstanlagen in den kommenden Monaten und Jahren sehr detailliert betrachtet werden müssen, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

In Entwicklungsländern sind die Rahmenbedingungen für die Potentiale einer Mini-Biogasanlage ganz andere. Das ganzheitliche Entwicklungspotential für die landwirtschaftliche Region in der die Biogasanlage errichtet wird, ist viel offensichtlicher und kann eigentlich kaum in Geldströmen wiedergegeben werden. Eine Mini-Biogasanlage kann ganzjährig Strom und Wärme für einen Ort bedeuten, an dem Familienmitglieder bisher bis zu 10 Kilometer täglich zur Beschaffung von Brennholz unterwegs waren. Mini-Biogasanlagen bedeuten für viele afrikanische Dörfer tatsächlich ein eigenes Kraftwerk, für dessen Betrieb sie keine fossilen Brennstoffe importieren müssen!

Die Entwicklungsmöglichkeiten die sich aus einer kontinuierlichen Energieversorgung für Bildung, Sanitär und die lokale Wirtschaft ergeben, können wir uns in Deutschland nur schwer vorstellen. Über die Potentiale der Bioenergie für Entwicklungsländer, sowie für die Wirtschaftsmächte von Morgen, wurden auf BiomassMuse bereits Artikel veröffentlicht.

„Investieren wir in Afrika!“

Allzu leicht ziehen bei einer solchen Aussage die dunkle Wolke des Wirtschaftsimperialismus über einem zusammen. Man ist als Europäer sehr vorsichtig mit seiner Investitions-Euphorie für Entwicklungsländer. Aber Investitionen sind bei allen Risiken auch eine gute Möglichkeit, um Kapital in afrikanische Länder zu spülen, die lokale Wirtschaft anzukurbeln und natürlich neue Märkte zu erschließen. Nachhaltig geplant, können Investitionen ein finanzieller Weg der „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein.

„Wollen Sie Afrika helfen, dann investieren Sie in Afrika.“

Dass nicht nur ich das so sehe, sondern auch jemand der deutlich mehr von der Wirtschaft afrikanischer Länder versteht, zeigt der folgende Film. In dieser sehr lebendigen TED-Rede ruft Ngozi Okonjo-Iweala zu mehr Investitionen für Afrika auf. Dabei weiß Frau Okonjo-Iweala wovon sie spricht und war selbst von 2003 bis 2006 Finanz- und Wirtschaftsministerin Nigerias – dem bevölkerungsstärksten Land Afrikas.

Hemmnisse für einen schnellen Ausbau von Mini-Biogasanlagen

Warum bin ich beim Formulieren dieses Traums von Mini-Biogasanlagen für Entwicklungsländer noch etwas verhalten?

Ein grundlegendes Problem ist, dass die langfristige Entwicklung einer Region nur schwer von  Unternehmen berücksichtigt werden kann/ wird. Fehlende politische Stabilität und rechtliche Unsicherheiten schrecken mögliche Investoren zusätzlich ab. Kaum ein mittelständisches Unternehmen aus Deutschland wird afrikanische Länder (vor allem der Subsahara) auf seinem Radar für interessante Investitionsregionen haben.

Das Bestehen eines Unternehmens am Markt muss durch kurzfristig schwarze Zahlen gesichert werden. Entwicklungshilfe ist aber häufig eine langfristige Investition in den Aufbau einer Region und kann sich bei Investitionsentscheidungen von Unternehmen deshalb nur schwer behaupten.

Lösungsansätze zur Entfaltung des Potentials von Mini-Biogasanlagen

Wichtig ist, dass am Beispiel des afrikanischen Kontinents eine viel größere Differenzierung stattfindet. Allzu leicht unterliegt man der Falle, dass man die Situation afrikanischer Länder und Regionen verallgemeinert und überall nur Hunger, Korruption oder politische Konflikte sieht. Dieses Bild von einem durch und durch grausamen und hungernden Kontinent ist natürlich weit weg von der Realität und hilft nicht unbedingt dabei, die Wirtschaftslage weiter zu verbessern.

Zugegeben, es ist riskant für Anlagenhersteller und Investoren, sich für ein Mini-Biogasanlagenprojekt in einem Entwicklungsland zu entscheiden. Bei guter Planung kann dieser Mut für einen unbekannten Markt aber auch die beste Entscheidung werden, die ein Unternehmen in seiner Unternehmensgeschichte getroffen hat.

Allein in Deutschland gibt es mindestens 14 Hersteller und Anbieter von Mini-Biogasanlagen mit denen man letztlich in einen harten Konkurrenzkampf gehen muss. Als Biogasunternehmen, dass bisher schwerpunktmäßig im deutschen Heimatmarkt, und somit in der marktführenden Region weltweit, aktiv ist, wird die Konkurrenzsituation in vielen afrikanischen Ländern deutlich entspannter sein.

Worauf sollte man bei der Planung von Pilotprojekten für Mini-Biogasanlagen in Entwicklungsländer achten?

Vereinfacht formuliert müssen folgende Partner und Projektphasen berücksichtigt werden, um in wenigen Jahren die erste Mini-Biogasanlage in den Betrieb der Regionalverwaltung übergeben zu können.

  • Partnerschaften sind das A&O wenn bilaterale Partner aufeinander treffen.
  • Sondierungsgespräche mit potentiellen Partnerregionen und deren Vertretern müssen geführt werden.
  • Banken oder Investoren müssen überzeugt und gewonnen werden. Eventuell können Public-Private-Partnership (PPP) Projekte aufgebaut werden.
  • Risikofreudige Anlagenhersteller für die technische Realisierung der Mini-Biogasanlagen müssen gefunden werden.
  • Transport der Anlage (Wasser, Schiene, Straße)
  • Installation und Inbetriebnahme der Pilotanlage als Modul- oder Kompaktanlage.

Hört sich einfach an oder? Letztlich ist es auch bei weitem nicht mehr so schwierig, wie noch vor 35 Jahren, als die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (heutige GIZ) mit der professionellen Umsetzung solcher Entwicklungsprojekte begonnen hat.

Natürlich stößt man wie bei jedem anderen Projekt auch auf Probleme bei der Umsetzung, aber das Wissen über kulturelle Unterschiede und Konzepte zur erfolgreichen und vernetzten Zusammenarbeit haben sich stark entwickelt. Viele Fehler der euphorischen Anfangszeit der GIZ/ GTZ müssen heute nicht mehr gemacht werden, da man über einen reichen Erfahrungsschatz verfügt.

Hilfe zur Selbsthilfe für beide Staaten :-)

Die Überschrift ist aus deutscher Sicht natürlich ganz schön frech gewählt, aber daran glaube ich. Wir können von afrikanischen Ländern genauso viel lernen, wie sie von uns. Das muss man sich bei aller Technologieführerschaft immer wieder vor Augen halten.

Bei Entwicklungsprojekten dieser Art sollte man sicher bis zu einem gewissen Grad auch ein Träumer sein, um vorhandene negative Erfahrungen der Vergangenheit nicht überzubewerten oder sich trotz dieser Fehler auf neue Partnerschaften einzulassen.

Mit den Änderungen des EEG 2012 und den Konsequenzen für Small-Scale-Biogasanlagen öffnet sich meiner Meinung nach eine neue Tür für erfolgreiche Partnerschaften mit Entwicklungsländern im Bereich der Biogastechnologie.

Vor allem die großen Unternehmen der Biogasbranche können mit ihrem langen Atem Pilotprojekte fördern und in ihr Portfolio aufnehmen. Diese können als langfristige Investition in den Aufbau eines neuen Marktes oder einfach als humanistisches Projekt betrachtet werden. Wenn es wirtschaftlich leichter zu rechtfertigen ist, dann könnten die weniger gewinnorientierten Projekte sogar teilweise aus dem Budget der Marketingabteilung finanziert werden?! Es wäre ein großartige Nachricht, wenn sich einige der großen deutschen Anlagenhersteller in einem ersten Schritt mit der Planung von Projekten für Mini-Biogasanlagen in Entwicklungsländern beschäftigen.

An alle Biogasanlagen-Hersteller: „Nutzt diese Chance!“

Jeder der eine längere Zeit in stabilen Regionen Afrikas tätig gewesen ist wird eingestehen, dass der Austausch mit der afrikanischen Mentalität eine einzigartige Bereicherung ist.

Während eines Studienaufenthalts in Südafrika habe ich viel von den Südafrikanern und ihrer bunten Gesellschaft gelernt, so dass ich von dem wirtschaftlich fruchtbaren Austausch im Bereich Biogas überzeugt bin. Nun zählt Südafrika zu den BRICS-Staaten und gleicht somit in vielen Bewertungskriterien eher einem OECD-Land als einem Schwellenland. Genau wie in Europa ist auch in den Ländern Afrikas nicht alles Gold was glänzt, es ist aber auch bei weitem nicht so dunkel, wie das „Afrika“ das man aus den Nachrichten kennt.

Wie können wir unser rasant gewachsenes Biogas-Know-How nutzen, um andere Länder beim Aufbau ihrer Energiewirtschaft zu unterstützen? Was denken Sie?

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